Non-formale Bildung für nachhaltige Entwicklung

SDG 13 (climate action) in kurzen Online-Videos als eine Rahmenbedingung non-formaler Bildung für nachhaltige Entwicklung (SDG 4)

 

Zum Stand der Forschung

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) wird in der fachlichen Diskussion tendenziell auf formale Bildung reduziert, doch erste Arbeiten belegen bereits, dass auch non-formale Bildung im Zusammenspiel mit anderen Faktoren einen erheblichen Beitrag leisten kann (Otto et. al. 2020, S. 5). Die Vereinten Nationen betonen wiederholt ihre Wichtigkeit (UNESCO 2019). Michelsen und Kollegen arbeiteten erste Dimensionen und Zusammenhänge für außerschulische BNE bereits heraus (Michelsen et. al. 2013). Die Digitalisierung der Lebenswelt brachte es mit sich, dass digitale Zeugnisse auch in Bildungsprozessen im nonformal- informellen Bereich einfließen. Besondere Relevanz in der Kommunikation und Weitergabe von Wissensständen erhalten hierbei nichtlineare Formen der Audiovisualität (Novy 2014). Die Bereitstellung von Videos hat bereits derartige Ausmaße angenommen, dass Forschende bereits von einem YouTubiversum sprechen (Haarkötter /Wergen 2019).

Barth arbeitete zwar heraus, dass Lernen mit neuen Medien in Bezug auf BNE prinzipiell große Potentiale aufzeigt (Barth 2006). Doch stehen im Bereich von Video-Plattformen vor allem Filmformate von kurzer Dauer zur Verfügung, die in Bildungsprozesse integriert werden. Es ist fraglich, welchen Beitrag z. B. Tutorials, also die Weitergabe audiovisuell verdichteten prozeduralem Wissens (Valentin 2018), bei der Bearbeitung der Komplexität von BNE leisten können.

 

Ziele der Studie

Die Studie stellt zum einen einen Beitrag zur pädagogischen Grundlagenforschung dar, als sie ein tieferes Verständnis für non-formale digitale BNE (SDG 4) am Beispiel „climate action“ (SDG 13) schaffen will. Die übergeordnete Fragestellung lautet: „Welcher Art sind Kurzvideos, die öffentlich zugänglich im World Wide Web sind und die das Thema ‚Klima‘ behandeln?“

Zum anderen leistet die Studie einen Beitrag zur pädagogischen Anwendungsforschung. Hierzu werden für die erziehungswissenschaftliche Praxis relevante Fragestellungen mittels qualitativer Analyse von Videos bearbeitet.

 

Methodisches Vorgehen

Zur Beantwortung der leitenden Forschungsfrage wurden in einem explorativen quantifizierenden Zugang kurze Videos gesichtet (Bortz/ Döring 2014, S. 354). Die Stichprobe setzt sich aus 364 deutschsprachigen, öffentlich zugänglichen Videos mit einer Länge von bis zu 15 Minuten zusammen. Die Vercodung nach ausgewählten Merkmalen erfolgte theoriegeleitet und damit deduktiv.

Ausgehend von diesem Datenkorpus wurden mehrere qualitative Fragestellungen bearbeitet, bei denen Videos mit bestimmten Merkmalen nochmals eingehender – heuristisch – untersucht wurden. Dieser Schritt erfolgte zum Teil induktiv. Daneben wurde unter anderem das Konzept der „Gestaltungskompetenz“ nach de Haan (De Haan 2008) als Kernkompetenz in der BNE als Bezugsmaßstab zur fachlichen Einordnung zur Relevanz für BNE gewählt.

 

Ergebnisse

Der explorative Zugang bietet eine Momentaufnahme von den derzeit öffentlich zugänglichen Kurzvideos zum Thema „Klima“. Dabei liefert zum Beispiel die Beschreibung der Autorenschaft von Videos Hinweise darauf, von wem dieser Teil non-formaler digitaler Bildung für nachhaltige Entwicklung wesentlich gestaltet wird. Die Vorgehensweisen können dabei zum Beispiel im Bereich der Bundesministerien durchaus aus pädagogischer Perspektive kritisch betrachtet werden.

Es kann auch gezeigt werden, welcher Darstellungsart sich dabei vornehmlich bedient wird, nämlich in protagonistischer und gegenständlicher Form, sowie in Form von Trickfilmen – weniger in Form von Screencasts (Valentin 2018). Gleichzeitig kann aufgezeigt werden, inwiefern der ironisierende Umgang mit dem emotional herausfordernden Themengebiet Raum einnimmt und als ein gesellschaftlicher Umgang mit dem komplexen Themengebiet interpretiert werden kann (Rauen 2010).

Unter Berücksichtigung der „unterschiedlichen Rhythmen des (Umwelt-)Journalismus und der Nachhaltigkeitskommunikation“ (Reinermann / Lubjuhn 2011) kann darüber hinaus ein kritischer fachlicher Blick aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive geworfen werden: Befürchtungen von Pädagog/-innen in Bezug auf non-formales Lernen von Schülerinnen und Schülern können differenziert betrachtet werden (z. B. das Problem fehlerhafte Darstellung und der Umgang mit Ironie). Fazit ist, dass die Möglichkeiten non-formaler BNE im Bereich „climate action“ bei Weitem nicht ausgeschöpft werden und noch viel Potential für einen Beitrag zur globalen Nachhaltigkeitstransformation besteht.

 

Literatur

Barth, M. (2006): Lernen mit Neuen Medien – ein Weg für die Bildung für eine nachhaltige Entwicklung? In: Rieß, W. / Apel, H. (Hrsg.): Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Aktuelle Forschungsfelder und -ansätze. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 69–80.

De Haan, G. (2008): Gestaltungskompetenz als Kompetenzkonzept für Bildung für nachhaltige Entwicklung. In: Bormann, I. / de Haan, G. (Hrsg.): Kompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Operationalisierung, Messung, Rahmenbedingungen, Befunde. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 23–45.

Haarkötter, H. / Wergen, J. (Hrsg.) (2019): Das YouTubiversum. Chancen und Disruptionen  der Onlinevideo-Plattform  in Theorie und Praxis. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Michelsen, G. / Rode, H. / Wendler, M. / Bittner, A. (2013): Außerschulische Bildung für nachhaltige Entwicklung. Eine Bestandsaufnahme am Beginn des 21. Jahrhunderts. München: oekom.

Novy, L. (2014): The revolution will not be televised – Youtube auf dem Weg zum Nachrichtenmedium? In: Kappes, C. et al. (Hrsg.): Medienwandel kompakt 2011–2013. Wiesbaden: Springer Fachmedien. Download unter: DOI 10.1007/978-3-658-00849-9_40, 2014

Otto, I. M. / Donges, J. F. / Cremades, R./ Bhowmik, A. / Hewitt, R. J. / Lucht, W./ Rockström, J. / Allerberger, F. / McCaffrey, M. / Doe, S. S. P. / Lenferna, A. / Morán, N. / van Vuuren, D. P. / Schellnhuber, H. J. (2020): Social tipping dynamics for stabilizing Earth’s climate by 2050. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 117 (5), S. 2354–2365. Download unter: https://doi.org/10.1073/pnas.1900577117

Rauen, Ch. (2010): Pop und Ironie: Popdiskurs und Popliteratur um 1980 und 2000. Berlin: de Gruyter.

Reinermann J.-L. / Lubjuhn S. (2011) „Let me Sustain You“. Die Entertainment-Education Strategie als Werkzeug der Nachhaltigkeitskommunikation. In: Medien Journal – Zeitschrift für Kommunikationskultur, S. 43–56.

UNESCO (2019): SDG 4 – Education 2030: Education for Sustainable Development beyond 2019. 206EX/6.II. Paris. Download unter: https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000366797.locale=en

Valentin, K. (2018): Video-Tutorials – eine systematisierende Annäherung aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive. In: medienimpulse, Heft 4, 2018. Download unter: https://medienimpulse.at/article/view/mi1247?navi=1