Neue Beteiligungsstrukturen

“Partizipationsstrukturen entwickeln – Jugendliche beteiligen” Evangelische Jugend Stuttgart

Überall in Deutschland stehen Jugendverbände vor ähnlichen Problemen: Die Strukturen der Selbstorganisation von Jugendlichen scheinen nicht mehr zu greifen. So manchem Verband fällt es schwer, genügend Jugendliche zur Gremienarbeit zu bewegen und dafür Rechnung zu tragen, dass es die Jugendlichen selbst sind, die sich organisieren. Die Ursachen sind hierbei in vielen Bedingungen heutigen jugendlichen Aufwachsens zu suchen: Veränderte Freizeitgestaltung, der Ausbau von Ganztagsschulen, der demographische Wandel sind nur ein paar Stichworte hierzu. Werden die Strukturen der Jugendverbände nicht neu überdacht und den veränderten Bedingungen angepasst, verlieren die Gremien und damit die Jugendverbände ihre Lebensgrundlage: ihre Jugendlichen.

Deshalb machte sich die Evangelische Jugend Stuttgart auf den Weg, ihre eigenen Partizipationsstrukturen zu hinterfragen, zu analysieren und neue Wege für Beteiligungsmöglichkeiten zu entwickeln. Anlass war eine Delegiertenversammlung, bei der die Anwesenden zu folgendem Fazit gelangten: Die Evangelische Jugend Stuttgart ist – auch durch einen regionalen Zusammenschluss vor einigen Jahren – komplexer geworden und es besteht wesentlich mehr Bedarf an Kommunikation. Festzustellen ist eine enorme Zeitverzögerung bei Entscheidungsgängen und die Kommunikationswege sind zu verschlungen. Kurz gesagt: Bis eine Idee oder ein Thema ankommt und verwirklicht wird, ist es nicht mehr aktuell. Die meisten Jugendlichen sind mit den Aktivitäten vor Ort zufrieden und interessieren sich nicht für übergeordnete verbandliche Zusammenhänge. Es musste festgestellt werden, dass viele Ehrenamtliche in den Distriktjugendwerken gar keine Kenntnis mehr über mögliche Entscheidungswege und Einflussnahmen haben.

Auf diese Impulse hin wurde eine Projektgruppe eingerichtet, die den Auftrag hatte, die Beteiligungsstrukturen zu überarbeiten und ein neues Modell zu entwickeln. Es sollten vor allem zwei Problemen begegnet werden: Seit längerer Zeit schon kamen kaum genug Delegierte zu den Versammlungen und manche Distrikte waren bereits seit Jahren auf der DV gar nicht mehr vertreten. Der Kreis von Haupt- und Ehrenamtlichen tagte als Projektgruppe unter der Begleitung einer Wissenschaftlichen Beraterin über mehrere Monate und erarbeitete ein so genanntes Szenario, welches der Delegiertenversammlung im Frühjahr 2012 zur Abstimmung vorgelegt und beschlossen wurde.

Nach einem knapp einjährigen intensiven Prozess, der die besondere Ausgangslage der Evangelischen Jugend facettenreich berücksichtigte, können die neuen Strukturen nun wie folgt beschrieben werden. Herzstück der neuen Organisation ist das Forum, bei dem alle Ehrenamtlichen ab 14 Jahren und Hauptamtliche geladen sind.  Bei dieser eintägigen Veranstaltung geht es um Entscheidungen (Wahlen des Geschäftsführenden Ausschusses, Wahl des Jahresthemas, Entscheidung über ein inhaltliches Thema z.B. für ein Positionspapier), um die Weiterentwicklung des Verbandes (Open Sea für Themenentwicklung, Mitarbeiterschulungen etc.), um Austausch (Marktplatz mit Informationen zu Arbeitsgruppen, Freizeiten, etc.) und Spaß (regional bekannte Band, leckeres Essen, Leisuretime). Gerahmt wird das Ganze von einem ansprechenden Jugendgottesdienst.

Um die Kommunikation innerhalb des Verbandes zu verbessern, wurden mehrere neue Strukturelemente eingerichtet. Ein besonderes Novum ist das Heroldswesen. Das Gros der Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses sind Herolde. Als Herold sind sie für ausgewählte Distrikte oder Jugendwerke (diejenigen, zu denen der Kontakt gering ist) zuständig. Sie haben nicht die Aufgabe, deren Probleme zu lösen, jedoch dafür bereit zustehen, den Kontakt zwischen Geschäftsführenden Ausschuss und den Problemfeldern aufrecht zu erhalten. So kann im Verband auf Vorortbedürfnisse reagiert werden und die anderen Distrikte und Jugendwerke kriegen sich untereinander besser mit. Um diese vermittelnde Tätigkeit bewältigen zu können, werden die Ehren- und Hauptamtlichen gezielt geschult. Darüber hinaus werden bisherige Online-Angebote ausgebaut: Die Pflege der Hompageauftritte, Facebookaccounts und Newsletter wird überarbeitet und es werden Online-Befragungen zu bestimmten inhaltlichen Themen veranlasst (unterstützt von dem kostenlosen Programm Grafstat). Der Beobachtung, dass die Ergebnisse der thematischen Arbeitsgruppen bisher eigentlich kaum jemand zur Kenntnis nahm, wird auf zweierlei Wegen begegnet. Zum einen werden alle Arbeitsgruppen zukünftig im Internet präsentiert sein und zum anderen wird an Ständen auf dem Forum über die Arbeit informiert und diskutiert. Darüber hinaus wurde die grafische Darstellung der verbandlichen Strukturen überarbeitet und so anschaulich und übersichtlich gestaltet, dass die Verbandsstrukturen besser nachvollziehbar sind.

Für Jugendliche ist es nun an vielen Stellen niedrigschwelliger, sich am Verbandsgeschehen zu beteiligen: Durch eine Teilnahme am Forum und kleinen Arbeitsgruppen, durch Onlinebefragungen und durch den Austausch mit Herolden. Gelingen können derartige Beteiligungsformen nur, wenn es den Jugendlichen vor Ort etwas nutzt, diese Kommunikationswege zu betreten. Nur wenn die Evangelische Jugend Stuttgart tatsächlich als verbandliche Organisationsebene Sinn macht, wird sie sich bewähren.

Weitere Informationen:

Evangelische Jugend Stuttgart, Martin Gutbrod: Martin.Gutbrod@ejus-online.de